Verteilkämpfe im Blick

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In der Kirche Bern-Jura-Solothurn ist Franziska Huber für «Kirche in Bewegung» verantwortlich. Für kirchliche Projekte hat sie ein dreistufiges Modell entwickelt: ausprobieren, strukturieren und implementieren. Wer diese Fragen sauber klären kann, bereitet sich gut auf die kommenden Auseinandersetzungen rund um die Ressourcenverteilung vor.

Von Lukas Huber

Manchmal kann man mit der Lebensgeschichte eines Menschen Wissen besser vermitteln als mit trockener Theorie. Das trifft zum Beispiel auf Franziska Huber zu. Sie ist Beauftragte für Theologie der Kantonalkirche Bern-Jura-Solothurn und leitet «Kirche in Bewegung». 

Hubers Herzensanliegen für Kircheneninnovation kommt aus ihrer persönlichen Geschichte: Sie wuchs komplett unkirchlich auf und studierte wegen der thematischen Vielfalt Interreligiöse Studien und Theologie. Als sie gleich zu Beginn im Fach Dogmatik ein Spezialgebiet für die Prüfung angeben musste, dabei aber nicht einmal wusste, was das Wort «Dogmatik» bedeutet, machte sie eine Art Fremdheitserfahrung, die ihre weitere kirchliche Karriere prägte.

Seit sie bei der Kirche angestellt ist, setzt sie sich dafür ein, dass Menschen neben den klassischen Formen von Kirche auch andere Zugänge vorfinden. Dabei treibt sie kein missionarisches Anliegen an, sondern der Glaube, dass Menschen, die unabhängig von kirchlichen Bemühungen von Gott angesprochen werden, kirchliche Formen antreffen sollten, die ihnen entsprechen.

Notgedrungen innovativ

Ihre Kirche sei in den letzten Jahrzehnten stark von strukturellen Fragen geprägt gewesen, erzählt sie in Episode 06-02 des Podcasts «Aufwärts stolpern». 2019 startete sie mit einem Team eine Tagung über Kirchenentwicklung. Von Thomas Schlegel übernahm sie die Idee der Erprobungsräume, doch dann kam Corona, und viele Kirchgemeinden wurden notgedrungen innovativ. Die Homepagewiderspiegelte innovative Projekte von Kirchgemeinden und anderen kirchlichen Akteuren.

Bald wurde Franziska Huber aber etwas klar. Die Mitteldeutsche Kirche fördert zwar Innovation, nur: Was geschieht, wenn die Ressourcen abnehmen und es nicht mehr reicht für das Bestehende und das Neue? Daraus entwickelte sie drei Phasen der Förderung von innovativen Projekten:

1. Erprobung: ausprobieren, was funktionieren könnte
2. Strukturen schaffen: Projekte, die erfolgreich sind, brauchen Strukturen und erhalten eine Organisationsberatung
3. Implementieren: Wie werden Projekte zu einem Teil der Kirche, wie es das Kirchgemeinden sind?

Ressourcenkämpfe stehen vor der Tür
 

Franziska Huber sieht vermehrt Ressourcenkämpfe auf die Kirche zukommen. Eine inhaltliche Definition, was Kirche sei, helfe in dieser Frage nicht. Am Ende könnten nur die Projektverantwortlichen selber definieren, ob sie Kirche sein wollten; schliesslich gehöre die Kirche nicht uns, sondern Christus.

Unter Kirchgemeinden gebe es grosse Unterschiede: Es gibt Kirchgemeinden, die höchst innovativ sind – 50 Prozente der Projekte, die die Kantonalkirche fördert, finden mit Kirchgemeinden statt, 30 Prozent stammen von Kirchgemeinden, 20 Prozent agieren völlig losgelöst von Kirchgemeinden.

Franziska Hubers Erfahrung mit «Kirche in Bewegung» zeigt: Innovation entsteht, wenn die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist – das kann man nicht erzwingen. Offenheit helfe, eine gemeinsame Vision ebenfalls. Schliesslich braucht es den Mut, Dinge loszulassen.

Die ganze Episode mit Franziska Huber kann man hier nachhören