Kleiner ist besser

Gespeichert von ursula.eichenberger am
Im Buch «The Starfish and the Spirit» geht es um ein Bild der Kirche, das sowohl der Organisation der Landeskirchen und jener der amerikanischen Mega Churches diametral entgegensteht: Klein ist gut, vor allem, wenn sich die Mikrokirchen vervielfältigen; ein Leader wird man, wenn man andere für den Glauben gewinnen kann.
Von Lukas Huber

Die Autoren Lance Ford, Rob Wegner und Alan Hirsch gehen hart ins Gericht mit der aktuellen Kirchenkultur: Die Führungsstruktur sei in längst vergangenen Zeiten steckengeblieben: Klar definierte Prozesse und Anweisungen prägten das Leben vieler Kirchen – die bahnbrechende Erfindung der industriellen Revolution, um identische Blechteile in grosser Anzahl herzustellen –, und die charismatische Heldenfigur stehe zuoberst auf der Leiter – ein Erbe der Renaissance.

Das Buch «The Starfish and the Spirit» ist dagegen von einem Bild aus der Tierwelt geprägt: Sowohl Spinne wie Seestern haben einen zentralen Körper und Extremitäten, die in alle Richtungen gehen. Wenn man der Spinne den Kopf abschneidet, ist das Tier tot, wenn man einen Seestern teilt, werden zwei Seesterne daraus. Das Bild übernehmen sie vom einflussreichen Wirtschaftsbuch «The Starfish and the Spider» von Ori Brafman und Rod Beckstrom.

Das Bild passe perfekt zur Kirche, wie sie ursprünglich gedacht gewesen sei und noch heute funktionieren könne, argumentieren Ford, Wegner und Hirsch.

Nachfolge und Führung, Häuser und Drehscheiben

Ihr Seestern-Bild besteht aus fünf Elementen. Das Wichtigste: Die Mikrokirchen rufen Menschen in die Nachfolge. Nur wenn sich Menschen in die Nachfolge von Jesus Christus begeben, wird das Reich Gottes wachsen. Die Autoren schreiben: «Wenn wir in diesem Punkt versagen, müssen wir auch in allen anderen Punkten versagen.»

Wer es schafft, Menschen in die Nachfolge zu rufen, wird automatisch zum Leader, auch wenn er/sie es unter Umständen nicht einmal selber weiss. Es gilt die Grundregel: Die Nachfolge ist der Baum; dass Menschen Verantwortung übernehmen, ist die Frucht. Das Umgekehrte gilt nicht zwingend. Kirchen, die darauf fixiert sind, Menschen zu Leadern auszubilden, sie aber nicht in die Nachfolge rufen, merken unter Umständen irgendwann, dass sie die Falschen zu Verantwortungsträgern aufgebaut haben.

Erst bei den Elementen drei und vier unterscheidet sich das Seestern-Modell markant von anderen Kirchenkonzepten. Ihr Verständnis von Kirche ist nicht das einer zentral organisierten Organisation, die dann ins Kleine geht, sondern für sie besteht Kirche aus Häusern und Drehscheiben. Das sei schon von Anfang an so angelegt gewesen, argumentieren die Autoren: Die Urkirche in der Apostelgeschichte bestand aus Hausgemeinschaften und dem «Hub», der Drehscheibe in der Halle Salomos, wo die Apostel die Verantwortlichen der neu entstandenen Hauskirchen lehrten.

Diese Art von Kirche war sehr resistent, als in Apostelgeschichte 8 Stephans getötet wurde und weitere Treffen im Hub beim Tempeln nicht mehr möglich waren: Die Hauskirchen vermehrten sich einfach weiter. Paulus übernahm dieses Konzept von Hub und Häusern; in Apostelgeschichte 19 wird beschrieben, dass in Ephesus die Halle des Tyrannus die Drehscheibe für die Verantwortlichen der Hauskirchen der Gegend war.

Hauskreis ist nicht das Gleiche wie Hauskirche

Diese Häuser im Seestern-Modell unterscheiden sich von Hauskreisen, wie es sie auch in landeskirchlichen Gemeinden gibt. Hauskreise drehen sich um die Bedürfnisse der Teilnehmenden, bei stärker organisierten Kirchgemeinden vertiefen die Hauskreise die Predigt des zentralen Gottesdienstes. Im Seestern-Konzept *sind* die Häuser die Kirchen.

Neben dem reinen Seestern-Modell beschreiben die Autoren auch Zwischenformen. Das kommt den beiden Hosts des Podcasts «Aufwärts stolpern» entgegen. Sie stellen nämlich fest, dass eine reformierte Kirchgemeinde kein reine Seestern-Gemeinde werden könne. Die Mischform, die näher am Seestern-Modell ist, hingegen, kann durchaus ein Konstrukt sein, mit der ein Bereich einer Kirchgemeinde funktionieren kann, sagt Host Lukas Huber.

«Underground Church»

Neben «The Starfish and the Spirit» diskutieren die beiden Hosts auch das Buch «Underground Church» von Brian Sanders, der aus der gleichen Grundidee die Erfahrung des Kirchennetzwerks in Tampa (Florida) beschreibt mit den Erfahrungen, die die Verantwortlichen machten. Sanders behauptet: «Die Kirche ist, in ihrer stärksten Form, klein.»

Anna Näf zeigt sich sehr inspiriert von Brian Sanders Aussage, dass in einem Mikrokirchen-Kontext «Exzellenz» kein Wert sei, der forciert wird. Im Gegenteil: Es ist wichtiger, Menschen im Kirchennetzwerk nach vorne zu schieben, die vielleicht weniger gute Redner sind als die bestens ausgebildeten Theologinnen und Theologen. Es ist wichtiger, die Fähigkeiten von vielen hervorzuheben und sie zu ermutigen, sich einzubringen.

Lukas Huber hob die Idee in «The Starfish and the Spirit» hervor, dass die Grundform einer Seestern-Gemeinde der Kreis und nicht die Pyramide sei; das solle sich auch im Besprechungsraum zeigen. Die ideale Sitzform sei der Kreis, nicht das Rechteck. Und der Sitzungsleiter solle nicht oben am Tisch sitzen, sondern einfach irgendwo im Kreis.

Gegen den Schluss der Episode erzählt Lukas Huber die unterschiedlichen Kernbotschaften von verschiedenen Kirchenmodellen aus dem Seestern-Buch. Die Kernbotschaft von schrumpfenden und stagnierenden Kirchen ist: «Bitte bleibt!» Die Kernbotschaft von wachsenden
(Gross-)Kirchgemeinden ist: «Bitte kommt!» Die Grundbotschaft von Mikrokirchen-Netzwerken ist: «Bitte geht!» (Gemeint ist natürlich: Geht und gründet neue Kirchen.)

Hier kann das ganze Video angeschaut werden.

Die ganze Episode kann man hier anhören

Eine deutsche Zusammenfassung des Buches "The Starfisch and the Spirit" finden Sie Hier

Eine deutsche Zusammenfassung des Buches "Underground Church" finden Sie hier