«Kirche ohne Angestellte?»

Gespeichert von Roland Mürner am

Der Kirche werden vor dem Geld die Pfarrerinnen und Pfarrer ausgehen. Wie kann eine Kirchgemeinde ohne Angestellte funktionieren? Oder müsste man besser fragen: Was für Angestellte braucht die Kirche? Der Rückblick auf die letzte Staffel des Podcasts «Aufwärts stolpern» unter dem Gesichtspunkt Personal.

Von Lukas Huber

Der ostdeutsche Pfarrer Justus Geilhufe schilderte in seinen zwei Vorträgen an der Tagung des Landeskirchen-Forums im Herbst 2024 die Situation in Sachsen sehr eindrücklich. Die Kirchgemeinden wüssten: Wenn nicht wir es machen, wird es nicht geschehen. Sie können nicht auf die Pfarrerinnen und Pfarrer hoffen, weil es fast keine mehr gibt. Das hohe Engagement der Gemeinde erklärte Geilhufe damit, dass der grosse Druck der DDR-Führung zu einem riesigen Exodus aus der Kirche geführt habe; nur die wirklich Überzeugten seien zurückgeblieben.

Ausgehend von den Gedanken Geilhufes diskutieren die Hosts des Podcasts «Aufwärts stolpern» über das Verhältnis von Angestellten und Gemeinde. Es sei eine seiner wichtigsten Aufgaben, diese Überzeugten zu finden, zu fördern und auszubilden, sagt Lukas Huber, damit sie die Arbeit machen können, die auch dann anfällt, wenn Kirchgemeinden keine Pfarrerinnen und Pfarrer mehr finden.

Der grösste Fehler des Pfarrers

Anna Näf stimmt zu, bekennt aber, sie stehe manchmal in Gefahr, die Dinge selber zu machen, statt Themen mit anderen zusammen zu entwickeln und sie machen zu lassen. Lukas Huber kennt das Problem: «Oft geht es schneller, wenn man es selber macht. Aber genau das ist der grösste Fehler, den Angestellte machen können.»

In Episode 09-04 berichtete Daniela Zillig, dass in der Kirchgemeinde Flawil die Angestellten die mühsamen Dinge erledigen wie Protokolle schreiben und Sitzungstermine suchen. Die Nicht-Angestellten, die «Freiwilligen», sollen die Aufgaben übernehmen, die sie gerne ausfüllen und gut können.

Lukas Huber fragt sich an dieser Stelle, was geschehen wird, wenn eine Kirchgemeinde keine Pfarrerin, keinen Pfarrer mehr findet. Muss man dann nicht-angestellte Menschen finden, die in Zilligs Sinn das Mühsame erledigen – oder braucht es einfach andere Angestellte als studierte Theologen, die den Laden zusammenhalten? «Für vieles in der Kirchgemeinde braucht es kein Theologiestudium», sagt Lukas Huber.

Flavia Hüberli von der Thurgauer Fachstelle «Start-up Kirche» schilderte in Episode 7 der letzten Staffel, dass sie in einer Kirchgemeinde mit Menschen aus der Gemeinde ein neues Gottesdienst-Format aufgebaut habe, das sie selber verantworten, weil die Pfarrerinnen und Pfarrer mit anderer Arbeit ausgelastet sind. Ihre Erfahrung zeigt: Das ist möglich und kein Strohfeuer.

Leben blüht auf

Der Podcaster und ehemalige Pastor Martin Benz beschrieb in Episode 05 Gott als den, der das Leben zum Blühen bringen will. Wenn das einzige Medium dafür der Gottesdienst ist, können sich nur Menschen engagieren, die gut reden können oder begabte Musiker sind. Wenn aber auch bei Seniorenbesuchen das Leben zum Blühen gebracht werden kann oder in einer Suppenküche, können viel mehr Menschen mitwirken.

Benz beschrieb die aktuelle Situation der Leute als grosse Herausforderung: Viele Menschen seien sehr herausgefordert vom Berufsleben, von der Familie und dem eigenen Alltag; ein Engagement in der Kirche sei darum viel schwieriger geworden als vor einigen Jahren. Anna Näf fragt sich, wenn man Benz’ Argumentation folgt, ob der aktuelle Trend der Kirchenlandschaft zukunftsträchtig ist. Es werden in ihrer Beobachtung immer mehr regionale und grosse Projekte gestartet – Projekte, die ohne koordinationsstarke Angestellte gar nicht funktionieren. «Sollte die Kirche darum nicht kleinformatiger werden statt immer grösser und komplexer?», fragt sie sich. Lukas Huber vermutet, dass man auch Projektleiterinnen und -leiter ohne Theologiestudium findet, die grosse Anlässe koordinieren können.

Der Hochschullehrer Pavel Kraus unterschied in Episode 3 zwischen Wissen und Information. Erst wenn das Wissen im Kopf einer Angestellten niedergeschrieben ist, wird es zu Information und steht auch andern zur Verfügung, zum Beispiel, wenn die Pfarrerin gegangen ist. Kraus schilderte auch, wie wichtig Menschen in der Kirchgemeinde sind, die viel über das Quartier/das Dorf wissen, auch in atmosphärischer Hinsicht. Kirchgemeinden sollten, sagt Lukas Huber, wohl zu diesen Personen Sorge tragen, damit das Wissen erhalten bleibt.

Weg vom Rundum-Pfarramt zu Einzelaufgaben

In Episode 09-10 erzählte der Zürcher Professor für Praktische Theologe, Ralph Kunz, von seinem Engagement zugunsten von künftigen Pfarrpersonen. Lukas Huber beschreibt ein kürzliches Votum von Ralph Kunz, in dem er sich angesichts von Plan P für den Aufbau der Gemeinde aussprach, anstelle an die Versorgung der Kirchgemeinde durch Pfarrer zu denken. Dazu sei es wohl nötig, neu über die Aufgaben der Kirchgemeinde nachzudenken: Kann man die Konzentration aller kirchlicher Aufgaben auf das Pfarramt rückgängig machen? Lukas Huber stimmt mit Ralph Kunz überein, dass man wohl viel leichter Engagierte findet, wenn sie nicht die gesamte Palette der Aufgaben des klassischen Pfarramts übernehmen müssen, sondern sich auf den Bereich ihrer Stärke begrenzen können, sei es beim Unterrichten, im Unterwegs sein mit Jugendlichen, in einem Besuchsdienst oder wo auch immer.

Zuletzt reden die beiden Podcast-Hosts über die These von Gastrounternehmer Simon Obrist in Episode 09-06, dass man am besten von Anfang an weiss, dass man ein Projekt nicht alleine stemmen kann, sondern auf andere angewiesen ist.

Die ganze Episode kann man hier anhören

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