«Kirche denkt nach»

Gespeichert von Roland Mürner am

Dass die Kirche nicht länger einfach weiterführen kann, was sie schon immer gemacht hat, ist eine Einsicht, die sich herumgesprochen hat. In Staffel 9 des Podcasts «Aufwärts stolpern» wurde immer wieder darüber gesprochen, dass die Kirche nachdenken muss, wofür sie eigentlich da ist und was sie tun soll. Darum geht es in der Rückblick-Epiode Nummer 3.

Von Lukas Huber

Der geistliche «Umzugshelfer» Martin Benz plädierte in Episode 05 der letzten Staffel 9 von Aufwärts stolpern dafür, dass eine Kirchgemeinde immer wieder innehält und sich überlegt: In welche Richtung entwickeln sich die Menschen, mit denen wir es zu tun haben? Werden sie hartherziger oder barmherziger? Haben sie mehr Angst oder leben sie befreiter? Co-Host Anna Näf bemerkt in der Rückblick-Episode 3 mit dem Titel «Kirche denkt nach», dass damit das Nachdenken nicht rein theologisch definiert wird, sondern dass die Wirkung der Arbeit in den Blick kommt: Was geschieht eigentlich mit den Menschen unserer Kirchgemeinde?

Martin Benz fand es in Episode 5 auch gut, dass die Kirche gesellschaftlich zunehmend in eine Minderheitenposition gerät. Das zwinge sie dazu, über die eigene Aufgabe nachzudenken. Wozu braucht es uns als Kirchgemeinde eigentlich, wenn wir nicht einfach die Mehrheit repräsentieren?

Der Professor in der Synode

In Episode 09-10 berichtete der Zürcher Professor für Praktische Theologe, Ralph Kunz, von seinen Bemühungen, mit Studentinnen und Studenten über den Glauben, über die Theologie und das Wesen der Kirche nachzudenken. Das macht er auch im Netzwerk Church Convention – und in kirchlichen Gremien, wie Aufwärts-stolpern-Co-Host Lukas Huber bemerkt: Er habe Akademikerinnen und Akademiker wie Ralph Kunz oder Sabrina Müller schon erlebt, wie sie in Pfarrkonventen oder Synoden zum theologischen Nachdenken anregen. Dass so auch Nichtangestellte in die theologische Diskussion mit einbezogen werden, sei eine gute Sache; Huber macht in diesem Zusammenhang auch Werbung für jene Weiterbildungsangebote von Bildungkirche, die sich an Behördenmitglieder und andere Engagierte richten.

Der Religionspädagoge und Gemeindepädagoge Carsten Heyden war Gast in Episode 8 der letzten Staffel. In der Kirche Bern-Jura-Solothurn hat er massgeblich daran mitgewirkt, dass es neu kein Gesamtkonzept der kirchlichen Unterweisung gibt, das die Kirchgemeinden dann umsetzen, sondern dass jede Kirchgemeinde selber darüber nachdenken muss, wie kirchlicher Unterricht vor Ort stattfinden soll. Die einzige Vorgabe der Kantonalkirche: Alle Berufsgruppen im Jugendbereich müssen gemeinsam überlegen, wie die Unterweisung in das Gesamtgefüge der Kirchgemeinde eingebunden wird.

Der Hochschullehrer Pavel Krauss schilderte in Episode 3 von Staffel 9, wie er in seiner Zeit in der Kirchenpflege bei Spenden der Kirchgemeinde jeweils genau nachfragte, ob die Organisation den Zielen der Kirche entsprechen. Lukas Huber leuchtet dieser Fokus auf das Wesentliche ein. Speziell in Zeiten des Umbruchs ist es wichtig, zu fragen, was wirklich wichtig ist, gerade in einer Kirchenpflege. Eine hilfreiche – und auch provozierende – Frage könne einem Gremium helfen, über das Wesentliche nachzudenken: «Wenn die Kirchgemeinde nur noch etwas machen dürfte: Was wäre das?»

Prototyp statt Projekt

Scheinbar im Widerspruch dazu plädierte Flavia Hüberli in Episode 7 der letzten Staffel dafür, Dinge einfach einmal zu machen, statt ewig zu studieren. Kirchgemeinden wären besser beraten, Prototypen statt Projekte zu lancieren. Das heisst, dass man ein neues Angebot als Prototyp einfach einmal ausprobiert und es im Erfolgsfall verbessert anstatt ein Projekt darauf zu machen, das auf Jahre angelegt ist. Allerdings sagte Hüberli auch, dass man sehr gut wissen muss, warum man etwas verändert; speziell wenn man den Leuten etwas Gewohntes «wegnimmt», braucht das eine gute Begründung.

Anna Näf bemerkt dazu, dass die Kirche im Sinne des «Goldenen Zirkels» von Simon Sinek oft genau weiss, was sie tut – ihre Angebote sind ja öffentlich ausgeschrieben –, dass es aber darauf ankomme, die Frage nach dem Warum und dem Wie zu stellen. Eine Kirchgemeinde mit Ambitionen müsse klären, warum man existiert und wie man arbeitet – zum Beispiel mit ständigem Einbezug von Menschen aus der Kirchgemeinde. Wenn diese beiden Fragen geklärt sind, sagt Anna Näf, könne man locker und flexibel an die Frage nach dem Was gehen, also nach den konkreten Angeboten.

Auch die Kirchgemeinde von Daniela Zillig hat lange nachgedacht, wie sie in Episode 09-04 schildert. Nach einem Wechsel in der Kirchenvorsteherschaft hat das neu zusammengesetzte Gremium zuerst die grossen Fragen gestellt und sogar eine Beratungsfirma angestellt. Das lange Nachdenken hat zu einem grundlegenden Umbau des Angebots geführt, nämlich zum Projekt «Sommer im Feld». Weil die Kirchgemeinde Flawil so intensiv nachgedacht hat und sich ein grosses Projekt zutraute, wurden in der Folge auch die Aufgaben der Angestellten neu definiert.

Vor dem Nachdenken Angebote streichen

Dass Nachdenken nicht gratis ist, besprechen die beiden Hosts zum Schluss von Episode 3. Lukas Huber hört immer wieder von Behörden, dass sie schon mit dem Alltagsgeschäft so überlastet sind, dass sie sich den grossen Fragen nicht zuwenden können. Er ist ganz einverstanden mit Flavia Hüberli, dass man in einer Kirchenpflege vielleicht zuerst besprechen muss, was man für eine Zeit weglässt, damit man die zeitliche und geistige Kapazität hat, sich den grossen Fragen zu stellen.

 

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