Der Podcast «Aufwärts stolpern» startet in eine neue Staffel – mit einer Neuigkeit: Ab der aktuellen Episode 08-01 kann man auf YouTube den beiden Hosts Lukas Huber und Anna Näf beim Diskutieren zuschauen. Sie reden über die provozierenden Thesen des deutschen Theologen Heinzpeter Hempelmann im Buch: «Die Kirche ist tot – es lebe die Kirche».
Von Lukas Huber
Neu können Interessierte den Podcast des Landeskirchen-Forums, «Aufwärts stolpern», nicht nur anhören oder hier einen Bericht über die aktuelle Folge lesen, sondern künftig kann man die Podcast-Folgen auch schauen: auf YouTube. Die aktuelle Episode finde sich
Die aktuelle Episode hat es in sich. Das, weil die Thesen des deutschen Theologen und Milieuforschers Heinzpeter Hempelmann provozieren. Er drischt heftig auf seine Landeskirche ein: Sie verstehe sich als Hüterin der Moral, doch sei ihre Moral oft stärker vom Milieu ihrer Akteure geprägt als von deren Theologie. Kirche erreiche von den zehn Milieus westlicher Kulturen nur zwei bis zweieinhalb. Sie sei darum nicht nur wegen der sinkenden Mitgliederzahlen, sondern auch aus Milieusicht schon lange keine «Volkskirche» mehr.
Die Kirche bilde auch die falschen Leute aus, und das erst noch falsch: Statt Grossstadt-kompatibler Entrepreneure bilde sie akademische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, die beigebracht bekämen, nach dem Motto «je realitätsfremder, desto wissenschaftlicher» zu arbeiten.
Zudem wiege sich die Kirche im falschen Glauben, dass sie nicht untergehen könne. Und weil sie das glaubt, stolpert sie von Strukturanpassung zu Strukturanpassung, anstatt komplett neu anzusetzen und sich zu überlegen, was eigentlich noch hilft und was weg kann.
Wie die Kirche wieder Zukunft gewinnt
Hempelmann bleibt aber nicht bei der provozierenden Analyse stehen. Gott liebe das Schwache und er lasse die Kirche nicht los, schreibt er. Die Kirche allerdings müsse lernen, loszulassen. Zum Beispiel die Positionen und Privilegien. Ihr Selbstbild als gesellschaftlicher Player, der die öffentliche Diskussion massgeblich prägt zum Beispiel lasse sich nicht halten. Die Kirche werde zunehmend einen freikirchlichen Status mit «freiwilligkeitskirchlichen Merkmalen» einnehmen müssen.
Um diesen Übergang zu schaffen, wird die Kirche Bypässe legen am System vorbei: kleine kirchliche Strukturen, die sich nicht und die Institutionslogik der Kirche kümmern, sondern einfach einmal etwas machen. Diese neuen Formen von Gemeinde werden nicht gegen die Institution kämpfen, sondern einfach um sie herum arbeiten: nicht fragen, ob ein Abendmahl auch ohne ordinierter Pfarrer gefeiert werden darf, sondern es einfach machen.
Co-Host Lukas Huber bemerkt dazu, dass Hempelmann in seinem Buch natürlich nicht die Welt neu erfindet – die Logik dieser Bypässe ist in der anglikanischen Kirche in Form der Fresh Expressions of Church längst beschrieben. In diesem Prozess des kirchlichen Umbaus werde die Kirche dazu kommen, sagt Hempelmann, die Logik umzudrehen: nicht zu fragen, was man noch erhalten könne, sondern umgekehrt zu fragen: Was brauchen wir eigentlich noch und was hindert uns eher?
Was können wir evangelisch prägen?
Ein weiterer Punkt, den Hempelmann stark macht, ist das Stichwort «evangelisch prägen». In Deutschland werden viele Kitas, Kindergarten und Altersheime von Kirchgemeinden betrieben. Hempelmann fragt sich nun, ob die Kirche wirklich die Kraft habe, diese Institutionen evangelisch zu prägen. Wenn nicht, sagt er, solle die Kirche doch überlegen, ob sie diese – sehr wichtigen – Institutionen nicht anderen Trägern abgeben sollte. Co-Host Anna Näf fragt sich bei dieser These Hempelmann, ob sich damit nicht noch mehr Menschen von der Kirche entfremden würden.
Auch kirchliche Immobilien sind ein Thema in Hempelmanns Buch «Die Kirche ist tot – es lebe die Kirche». Kirchgemeinde-Häuser seien oft Milieu-Gebäude mit Ekelschranken. Lukas Huber erzählt dazu, er habe in einem Kirchgemeinde-Haus ein Foto von einer grossen Filterkaffee-Maschine gemacht und in den Familienchat gestellt mit dem Kommentar: «Wie sage ich, dass ich in einem Kirchgemeinde-Haus bin, ohne zu sagen, dass ich in einem Kirchgemeinde-Haus bin?»
Die Häuserfrage verbindet Hempelmann im letzten Teil seines Buchs mit der Forderung, dass die Kirche aufmerksam Menschen aus anderen Lebenswelten ermutigt, in ihrem Milieu Gemeinde zu bauen. Auch wenn die Milieuforschung klar sagt, dass die Kirche nur zwei bis zweieinhalb Milieus erreicht, kann sie Gemeindeformate anerkennen und fördern, die aus anderen Milieus stammen und von Menschen aus anderen Lebenswelten verantwortet werden.
Schliesslich, schreibt Hempelmann: «Die Sache Jesu wird weitergehen, bis er am Ende selber kommt. Für Kirche und Christen bedeutet das: Wir können nicht verlieren. Wir dürfen etwas, wir können sogar uns riskieren, weil wir wissen: Wir können nur gewinnen.»
Austauschtreffen
Marcel Grob und Lukas Huber laden übrigens im September ein zu einem Lektüre-Austauschtreffen, an dem über die beiden Bücher «Die Kirche ist tot – es lebe die Kirche» von Heinzpeter Hempelmann und «Reclaiming Glory» von Mark Clifton diskutiert wird. Das Lektüre-Austauschtreffen startet am Mittwoch, 11. September 2024 um 9.30 Uhr in der Stahlgiesserei Schaffhausen. Weitere Informationen finden sich