An einer Tagung des Landeskirchen-Forums hielt Justus Geilhufe zwei Vorträge. Sie werden in zwei Episoden im Podcast «Aufwärts stolpern» publiziert. Im ersten Teil redet der deutsche Pfarrer über die atheistische Gesellschaft, über das Gute, Wahre und Schöne – und über die ostdeutsche Kirche.
Von Lukas Huber
Justus Geilhufe ist 1990 in Ostdeutschland geboren worden und ist heute Pfarrer in Sachsen. 2024 ist sein Buch «Die atheistische Gesellschaft und ihre Kirche» erschienen. An der Tagung des Landeskirchen-Forums vom 26. Oktober 2024 beschrieb er eindrücklich, wie sich der Staatsatheismus der DDR in der ostdeutschen Gesellschaft auswirkte. Er beschrieb eine Kirche, die zwar klein, aber überaus aktiv ist.
Die DDR habe zuerst die Zerstörung der Kirche aktiv und sichtbar angestrebt, sagte Geilhufe. Als sich die Regierung bewusst wurde, dass sie nicht so fest im Sattel sitzt und sich allenfalls Solidarität mit der unterdrückten Kirche einstellen könnte, stellte sie auf einen subtileren Kampf um. Sie begann, in die Biografie von Menschen einzugreifen, indem sie die Teilnahme an der Jugendweihe mit den Zukunftschancen von Jugendlichen verknüpfte. Du kannst dich schon konfirmieren lassen, aber wenn du dich nicht zum Staat stellst, stellt er sich auch nicht zu dir, sei die Botschaft gewesen. Niemand habe hungern müssen oder sei ins Gefängnis geworfen worden, aber ein Studium sei ohne Jugendweihe nicht möglich gewesen.
Der einzige Erfolg der DDR: die Schwächung der Kirche
Die Schwächung der Kirche sei das Einzige gewesen, was der DDR-Regime in ihrer Herrschaft überhaupt gelang, stellte Justus Geilhufe fest. Heute sind noch ungefähr 10 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer Kirche.
Wie sich der Alltagsatheismus in den letzten Jahrzehnten auswirkte, beschrieb Geilhufe eindrücklich anhand der alten Kriterien des Schönen, Wahren und Guten. Seine frühste Kindheitserinnerung sei, als er in der ersten Hälfte der 90-er Jahre mit dem Vater im Stadtzentrum von Dresden einer südamerikanischen Band zugehört habe. Plötzlich sei eine Horde von Rechtsradikalen gekommen und sie hätten der ausländischen Band die nackten Hintern zugedreht.
«(Der Andersdenkende) muss weg!»
Auch das Wahre habe in der atheistischen Gesellschaft Schaden genommen: «… muss weg» sei ein gängiges politisches Schlagwort geworden: «Merkel muss weg.». «Die Ampel muss weg.» Diese eliminatorische Sprache beschrieb Geilhufe als Folge des Atheismus: Es gebe nicht mehr eine absolute Wahrheit, die über uns Einzelpersonen und Gruppen steht, sondern immer mehr Menschen erwarten gar nicht, dass Menschen mit einer anderen Meinung ihnen etwas Sinnvolles mitzuteilen hätten; nein, andere Meinungen müssten zum Schweigen gebracht werden.
Auch wenn die Kirche in Ostdeutschland zu einer kleinen Minderheit geworden sind, die bald nicht mehr flächendeckend präsent sein kann, habe sie nicht das gemacht, was eigentlich zu erwarten gewesen sei: Sie hat sich nicht zurückgezogen, sie hat keine Mauern hochgezogen. Im Gegenteil: Der Anteil von Kirchenmitgliedern, die sich gesellschaftlich und politisch engagieren ist viel höher als ihr Anteil an der Gesamtgesellschaft, sagte Geilhufe. «Der ostdeutsche Christ wächst in seiner Kirchgemeinde mit dem Wissen auf, dass, wenn er nicht selber etwas tut, die Gemeinde nicht mehr existiert.» Mehr noch: «Jeder bei uns in der Kirche weiss, dass es nicht vier Hauptamtliche sind, die alles regeln, sondern dass es eigentlich keine Hauptamtlichen mehr gibt und dass wenn irgendetwas geschehen soll, dann hat das mit meiner eigenen Arbeitskraft und Lebenszeit zu tun.»
«Die einzige Aufgabe der Kirche ist Mission»
Die Frage sei, sagte Geilhufe zum Ende seines ersten Referats, was in dieser Situation der Auftrag der Kirche sei – und gab gleich die Pointe des zweiten Referats bekannt: «Die einzige Aufgabe, die wir haben, ist Mission.»
Das zweite Referat des ostdeutschen Pfarrers Justus Geilhufe wird in Kürze hier publiziert. Im weiteren Verlauf der Tagung konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehrere Workshops besuchen; und es gab viel Zeit für Gespräche.