«Sterbende Kirchgemeinden wiederbeleben»

Gespeichert von ursula.eichenberger am
Mark Clifton ist ein US-Gemeindegründer und -erneuerer. Seinem Buch «Reclaiming Glory» können die beiden Hosts des Podcasts «Aufwärts stolpern» einiges abgewinnen – auch wenn es Überlegungen sind, die sich an die amerikanische Freikirchen-Welt richten. Bei aller Begeisterung für innovative Projekte stellt sich ja die Frage, was mit Kirchgemeinden geschehen soll, denen es nicht gut geht. Lukas P. Huber und Anna Näf reden über das, was wir Schweizer Landeskirchler von diesem Buch lernen können – und was wir getrost in den USA lassen sollten.
Von Lukas Huber

Es mache Gott wenig Ehre im Quartier, wenn eine kriselnde Kirchgemeinde ihre Tore zumache, sagt der amerikanische Gemeindeerneuerer Mark Clifton. Er steigt also theologisch ziemlich hoch ein, wenn er darüber redet, was man mit Kirchgemeinden machen solle, denen es nicht gut geht.

Die Gemeindegründungsszene, speziell in den USA, hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder und sehr deutlich gesagt, dass innovative Kirchenleute kriselnde Kirchgemeinden links liegen und lieber eine neue Kirche gründen sollten. Das sei viel effektiver als sich mit einer Kirchgemeinde zu beschäftigen, die ja aus einem guten Grund nah am Abgrund steht.

Diesen Abgrund lotet Mark Clifton aus. Der Grund, warum Kirchgemeinden in der Krise seien, sei nicht fehlendes Geld oder mangelnde Mitgliederzahlen, das Problem liege darin, dass es den Kirchen nicht gelinge, Menschen in die Nachfolge von Christus zu rufen. Was wie eine Kritik an liberalen europäischen Kirchen tönt, schreibt aber Clifton im Hinblick auf die 85 Prozent der Kirchgemeinden seiner eigenen Denomination, denen es nicht gut geht. Nur 15 Prozent der Kirchen der südlichen Baptisten seien gesund und am wachsen.

Krankheit sieht man den Kirchgemeinden nicht unbedingt auf den ersten Blick an. Auch taumelnde Kirchgemeinden hätten meist viel kirchliche Aktivität aufzuweisen, nur richteten sich die Angebote an die bestehenden Mitglieder, die sich so selber beschäftigen.

Vier Lösungen – nur eine ist für uns interessant

Mark Clifton präsentiert vier Wege, wie Kirchen aus der Krise kämen:

1. Die kranke Kirche übergibt die Schlüssel ihrer Gebäude einer Gemeindeneugründung oder einem Ableger einer gut funktionierende Kirche.

2. Die kriselnde Kirche teilt die Gebäude mit einer Gemeinde-Neugründung. Vielleicht färbt ja etwas von der Dynamik der neuen Kirchgemeinde ab.

3. Die sterbende Kirchgemeinde fusioniert mit einer Gemeindeneugründung oder einer funktionierenden Kirchgemeinde, die einen neuen Ableger starten will. Das sei aber mit vielen Herausforderungen verbunden: Die «alten» Mitglieder müssten die Verantwortung den neuen, dynamischen Leuten abgeben. Wenn aber ein Neustart auf diese Weise gelinge, umfasse die neue Kirche gleich alle Generationen (im Unterschied zu einer Gemeindeneugründung, die sich gewöhnlich um ein sozial homogenes Gründungsteam schart).

4. Der kranken Kirchgemeinde gelingt ein Neustart von innen. Das geht gewöhnlich nur mit neuen Angestellten, sprich es kann wohl nur bei einem Personalwechsel funktioneren. Die neue Pfarrerin oder der neue Pfarrer muss dann beides tun: Hirte sein und ein Kirchen-Neugründer – ein spannungsvolles Unternehmen. Clifton sagt: Die anderen drei Ansätze sind wahrscheinlich erfolgreicher, aber der vierte Ansatz wird wohl immer häufiger versucht. Für Schweizer Landeskirchen, so sind sich die beiden Hosts in der entsprechenden Episode des Podcasts «Aufwärts stolpern» einig, kommt wohl nur dieser vierte Weg in Frage.

Sich auf junge Männer fokussieren – hä?!

Anna Näf und Lukas Huber diskutieren dann die sechs Neupflanzungs-Imperative von Mark Clifton. Unter ihnen, dass es für die Pfarrperson wichtig sei, die «alten» Mitglieder nicht zu beschuldigen, weil sie die Kirche so haben krank werden lassen, sondern dass es darum gehe, alle Anwesenden zu lieben. Einem anderen der sechs Imperative können die Hosts wenig abgewinnen: Es gelte, sagt Clifton, gezielt in junge Männer als Leader zu investieren. Da schlägt wohl viel amerikanische Haltung durch, sagt Anna Näf.

Lukas Huber fand dafür einleuchtend, was Clifton im letzten Teil des Buchs sagen: Wer eine Gemeinde erneuern wolle, braucht viel taktische Geduld: Dinge ertragen, von denen man sehe, dass sie nicht helfen, bis der Moment gekommen ist, um sie zu ändern.

Austauschtreffen

Marcel Grob und Lukas Huber laden übrigens im September ein zu einem Lektüre-Austauschtreffen, an dem über die beiden Bücher «Die Kirche ist tot – es lebe die Kirche» von Heinzpeter Hempelmann und «Reclaiming Glory» von Mark Clifton diskutiert wird. Das Lektüre-Austauschtreffen startet am Mittwoch, 11. September 2024 um 9.30 Uhr in der Stahlgiesserei Schaffhausen. Weitere Informationen finden sich hier 

Hier kann das ganze Video angeschaut werden. 

Eine Zusammenfassung des Buchs findet sich hier

Die ganze Episode kann man hier anhören